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#Ein Getränk, das zum Schimpfwort wurde

Gerne würde ich behaupten können, der Kaffee meines Lebens sei ein cremiger Flat White, getrunken in einem Hipster-Café in Singapur. Oder ein karamellfarbener Eiskaffee, entdeckt an einer Strandpromenade in Málaga. Aber so ist es nicht.

Der Kaffee meines Lebens ist eine meistens bis zum Verbrennen geröstete Plörre, die so oft beschimpft wurde, dass sie selbst zu einem Schimpfwort geworden ist: der Bürokaffee. Keinen anderen Außer-Haus-Kaffee trinke ich, trinken wir, häufiger als ihn. Gleichzeitig ist kein anderer Kaffee so verhasst. Wir Angestellten vergleichen ihn mit dem Aroma von Waschmittel, dem Gestank nasser Hunde, Tee aus Jugendherbergszeiten und Schimmel. Als ich in einem Telefonat mit einer Vertrieblerin einer Kaffee-Manufaktur Bürokaffee erwähne, schnaubt sie vor Empörung. „Auf der Arbeit ist es doch sowieso schon anstrengend genug. Gerade diese Menschen bräuchten einen guten Kaffee“, sagt sie. „Und dann ist der oft so unsagbar schlecht!“

Der Bürokaffee hat so einen legendär miesen Ruf, dass der Versuch, vor diesem Getränk zu fliehen, zu einer Art Lifestyle geworden ist. Überall in den Großraumbüros stehen French Press, Porzellanfilter, AeroPress, sogar Kapselmaschinen. Unternehmen, die etwas auf sich halten, haben ein schickes Café für ihre Mitarbeiter eingerichtet, in denen es den Barista-Kaffee mit Herzchen im Milchschaum gibt. Diejenigen, die keinen Zugang haben, eilen über vielbefahrene Straßen zu Coffee-Shops, in denen sie 4,50 Euro für einen vernünftigen Latte zahlen können. Manche verlängern den mühsam gekauften „guten“ Kaffee mit heißem Wasser aus der Teeküche, damit er nicht so schnell leer ist.

Der Bürokaffee hat es so schwer wie kein anderer

An Tagen, an denen trotz allem nur der Bürokaffee bleibt, versuchen wir unseren Geschmack auszutricksen. Wir laufen in andere Etagen, jeden Tag, weil wir der Überzeugung sind, da sei der Vollautomatenkaffee besser. Wir verlangen nach modernen Maschinen und finden den neuen Bürokaffee immerhin eine Woche lang exzellent. Wir trinken uns durch die 24 „Kaffeevariationen“, die der Automat anbietet – und stellen dann doch fest, dass Lungo und Ristretto genauso lausig nach Arbeit schmecken wie der Americano.

Der Bürokaffee hat es so schwer wie kein anderer. Wir werden ihn immer schlechter finden als den Café au Lait im französischen Bistro um die Ecke oder den Espresso nach dem Sonntagsessen. Was wir an ihm haben, geht uns erst auf, wenn er uns genommen wird. So wie zu Beginn der Pandemie. Im Zwangshomeoffice kämpfte ich damals mit meiner kaputten Pad-Maschine. Fühlte ich mich einsam, ging ich auf eine Webseite, die Bürogeräusche abspielte – der Klang des Kaffeevollautomaten war besonders wohltuend.

Ich telefoniere noch mal mit der Vertrieblerin der Kaffee-Manufaktur. Sie hat ihren Chef, Ralf Heincke, erreicht. Heincke war früher Sportjournalist – also in einer Branche, in der mehr Kaffee getrunken wird als in allen anderen Büros. Heute röstet er Kaffee in Oberbayern. Zunächst erschien es wie Pech, dass Heinckes Rösterei „Martermühle“ ihre „Kaffee Büro Mischung“ fast zeitgleich mit dem Beginn von Corona launchte. Aber dann kauften die Menschen sie trotzdem und schrieben Heincke: Es sei schön, dass sie jetzt auch zuhause einen Büro-Kaffee trinken könnten. So fühlten sie sich im Homeoffice doch ein bisschen wie unter Kollegen.

Man muss dazu sagen, dass Heinckes handgeröstete „Büro Mischung“ nichts mit einem billigen Massenkaffee zu tun hat. Dass er sie so genannt hat, weil er zeigen will: Arbeit und guter Kaffee schließen sich nicht aus. Die Deutschen trinken im Büro im Durchschnitt – trotz allem – zweieinhalb Tassen Kaffee pro Tag. Deswegen ist die „Büro Mischung“ besonders säurearm und so auch in großen Mengen unbedenklich für den Magen. Bürokaffee, heißt es aus der „Martermühle“, „ist von einem billigen Filterkaffee zu etwas zum Genießen geworden“. Vielleicht ist diese Kolumne also der Beginn eines Abschieds – auch wenn wir Angestellten uns das noch nicht vorstellen können.

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