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#25 Jahre Witze für Deutschland

25 Jahre Witze für Deutschland

Keine sechs Wochen würden sie es dort aushalten, unkten die Kollegen, dann würden sie gefeuert. Sogar Wetten sollen im Frühjahr 1996 auf den eigentlich unvermeidlichen Rauswurf abgeschlossen worden sein. Es war ja auch schier undenkbar, dass ausgerechnet zwei Zeichner des Satiremagazins Titanic auf einmal tagesaktuelle Karikaturen für den Politikteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung liefern sollten. Wäre da nicht ein ideologischer Grand Canyon zu überbrücken?

Vielleicht war er das, doch das focht die Beteiligten auf beiden Seiten nicht an. Jedenfalls soll Johann Georg Reißmüller, seinerzeit für den Politikteil der F.A.Z. verantwortlicher Mitherausgeber und als hoch konservativ ebenso geachtet wie gefürchtet, entscheidenden Anteil daran gehabt haben, die Zeichner Achim Greser und Heribert Lenz für die Zeitung zu gewinnen. Und die beiden Franken, die sich während ihres Studiums des Grafik- und Kommunikationsdesigns kennengelernt hatten und seitdem häufig zusammenarbeiteten, willigten ihrerseits ein, die Herausforderung anzunehmen. Es sollte ein ganz besonderer Bund werden.


Bild: Greser & Lenz

Als im April 1996 die erste Karikatur von Greser & Lenz in der Zeitung erschien, eine Zeichnung zur BSE-Krise, war es nicht der Auftakt zu einem sechswöchigen Intermezzo, sondern zu einer bis heute haltenden Verbindung, die durchaus Pressegeschichte geschrieben hat. „Greser & Lenz haben mit ihrer Arbeit für die F.A.Z. die politische Karikatur revolutioniert“, meint Achim Frenz, Leiter des Caricatura Museums für Komische Kunst in Frankfurt, wo er den Zeichnern unter dem Titel „Schlimm. Ein Vierteljahrhundert Witze für Deutschland“ zu ihren 25 Jahren Tätigkeit für die F.A.Z., die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und weitere Publikationen des Verlags wie das Magazin Metropol nun eine Ausstellung widmet, die am Mittwochabend eröffnet wird.

Nur selten die reine Botschaft

Fast 400 Arbeiten werden zu sehen sein, die zu einem großen Teil jenes Konvolut präsentieren, das das Museum Anfang 2021 mithilfe des neu geschaffenen städtischen Ankaufsetats für seine Sammlung erwerben konnte. Gezeigt werden neben vielen Karikaturen auch etliche Vorlagen für eine viel beachtete Bierdeckelserie, die das Duo für eine regionale Brauerei in Aschaffenburg zeichnet, wo die beiden in einem Jugendstilhaus ein gemeinsames Atelier unterhalten. Im Mittelpunkt der Schau jedoch stehen die Karikaturen, die für die F.A.Z., aber auch für die Titanic entstanden sind, wo beide in den achtziger Jahren – Greser im Jahr 1986, Lenz im Jahr 1988 – angeheuert hatten und vor allem mit ihren Comicserien „Genschman“ (mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher als Superheld) sowie „Die roten Strolche“ (mit verschiedenen SPD-Granden als Charakteren) bekannt geworden waren.

Achim Greser (links) und Heribert Lenz in ihrem Aschaffenburger Atelier.


Achim Greser (links) und Heribert Lenz in ihrem Aschaffenburger Atelier.
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Bild: Greser & Lenz

Wenn diese zum Teil jahrzehntealten Arbeiten auch heute noch ihren ganz eigenen Reiz nicht nur als witzige Chronik der Zeitläufte haben, liegt das an den oft geradezu verschwenderisch ausgestatteten Tableaus, die voller Details stecken. Nur selten ist die Karikatur auf die reine Botschaft zugespitzt. Viel öfter entfalten die Zeichnungen eine ganze Welt, liebevoll gestaltet und mit einem irgendwie herzig erscheinenden Personal versehen, was den Spott bisweilen abfedert, damit er den Betrachter im nächsten Moment umso wuchtiger trifft.

Meister der Komischen Kunst

Das geht nicht ohne Verletzungen einher. Politisch überkorrekte Seelen werden sich gewiss daran stoßen, dass in den Karikaturen Stereotypen Verwendung finden, über Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung gewitzelt wird. Einigen Betrachtern geht das zu weit, wie nicht zuletzt in manchem Leserbrief an die F.A.Z. sichtbar wird.

„Jeder Krieg hat seine Opfer, das gleiche gilt für den guten Witz“, verweisen Greser & Lenz da auf ihr Motto, das übrigens keine Schonung kennt, gilt ihr Spott gerechterweise doch allem und jedem, Nazis und Linken, Großkopferten und Kleinkarierten, Einheimischen und Zugereisten, Offenbachern und Frankfurtern. Letztere beide stellen nicht nur häufiger das Personal der Karikaturen, sondern dürfen dann auch noch in ihrem heimischen Idiom babbeln, was ebenfalls eine Besonderheit der Arbeit der beiden fränkischen Künstler ist. Ihre Witze für Deutschland in der Zeitung für Deutschland haben gern einen hessischen oder, ebenfalls nicht selten, einen bayrischen Zungenschlag, was die Komik noch verstärkt, wenn etwa eine Donald-Trump-Figur eine Büttenrede hält.


Bild: Greser & Lenz

Eine etwas unbekanntere Seite der noch immer nach alter Sitte mit Feder, Tusche und Aquarellfarben auf Papier ausgeführten Arbeit von Achim Greser und Heribert Lenz sind ihre Tierzeichnungen, die alle zwei Wochen auf der Seite „Staat und Recht“ der F.A.Z. erscheinen. Hier wird eher ein skurriler bis grotesker Witz gelebt und vor allem das handwerkliche Können der beiden vorgeführt. Sie sind nicht nur Witzemacher, sondern eben auch Meister der Komischen Kunst.

Die Ausstellung „Greser & Lenz: Schlimm“ ist bis zum 21. November im Caricatura Museum für Komische Kunst Frankfurt, Weckmarkt 17, zu sehen. Zur Ausstellung ist ein 705 Seiten starker Katalog mit mehr als 1700 Abbildungen erschienen, er kostet 48 Euro. Weitere Informationen: https://www.caricatura-museum.de

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